"Der Führer schenkt den Juden eine Stadt"
Das Ghetto Theresienstadt vor Ort zu erleben, nachzuspüren, auf welch engem Raum die Menschen leben und unter welch unmenschlichen Bedingungen sie arbeiten mussten, war das Ziel der Exkursion nach Nordböhmen. Kein Schulbuch und kein Schulunterricht kann diese hautnahe Erfahrung, die die Werkschulgruppe vor Ort gemacht hat, ersetzen.
Das Besondere an dieser Gruppe war, dass sowohl Schülerinnen und Schüler als auch Eltern und Mitarbeiter der Werkschule dabei waren. Eine bunte Mischung aus Interessierten, die sich am Ort des Geschehens mit der Geschichte der Judenverfolgung und dem Holocaust auseinandersetzen wollten.
Der erste Tag war dem Ghetto Theresienstadt gewidmet. Die Stadt wurde Ende des 18. Jahrhunderts als Festungsanlage von Kaiser Joseph II. erbaut und bot den Nationalsozialisten ab November 1941 ideale bauliche Voraussetzungen, um Tausende Juden zu internieren.
Zwei Freiwillige der Gedenkstätte Theresienstadt, beide um die 20 Jahre alt, führten die Werkschulgruppe durch das Ghetto und gaben umfassende und tiefe Einblicke in das Leben im Lager: Zimmer, in denen 60 Leute auf engstem Raum und ohne jegliche Privatsphäre untergebracht waren. Betstuben, in denen sich die Gläubigen zusammenfinden konnten und Mädchen- und Jungenheime, in denen Kinder getrennt von ihren Eltern wohnen mussten. Schulunterricht für die Kinder war verboten, Zuwiderhandlungen wurden mit dem Tode bestraft.
Ein Propagandafilm der Nationalsozialisten mit dem Titel „Theresienstadt – Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“ zeigt das Lager als Ferienidyll. Die Häftlinge sitzen in der Sonne, machen Gymnastik und bestellen ihre Gärtchen. Kranke werden liebevoll gepflegt. Nicht nur eine Untersuchungskommission des Internationalen Roten Kreuzes ließ sich so bei einer Inspektion des Lagers täuschen.
Obwohl Theresienstadt kein Konzentrationslager, sondern ein sogenanntes „Durchgangslager“ war, starben im Ghetto zigtausende Menschen an Unterernährung, Mangelerscheinungen und Krankheiten.
Das wurde einem bewusst, als man den christlichen und den jüdischen Zeremonienraum betrat. In den Räumen wurden die Toten gewaschen und vorbereitet. Dort konnten sich Freunde und Verwandte von den Verstorbenen verabschieden, bevor die Leichen im Krematorium verbrannt wurden.
Mehr als 155.000 Juden aus Deutschland, Österreich, Tschechien, den Niederlanden und aus Dänemark wurden mit dem Zug nach Theresienstadt transportiert. Das Gleis endet noch heute am Rande des Ghettos. Es markierte für viele das Ende ihres Lebens.
Diejenigen, die die unmenschlichen Bedingungen im Ghetto überlebt haben, wurden zur endgültigen Vernichtung nach Auschwitz und in andere Konzentrationslager transportiert.
Rüstungsproduktion unter Tage
Den zweiten Tag der Reise verbrachte die Gruppe in der Meißener Partnerstadt Leitmeritz, nur wenige Kilometer von Theresienstadt entfernt. Nach der Begrüßung durch den Vizebürgermeister und einer Besichtigung des besonderen kelchförmigen Rathausturmes ging es unter Tage. Die Gänge unter dem Rathaus bergen eine Ausstellung über die „Grube Richard“.
Die „Grube Richard“ war ein Außenlager des Konzentrationslagers Flossenbürg. Gefangene mussten ein ehemaliges Kalkbergwerk so erweitern und vergrößern, dass die Nationalsozialisten ihre kriegswichtige Industrie unter Tage verlagern und damit vor dem Bombardement der Alliierten schützen konnten. Die Grube selbst ist heute nicht mehr zugänglich. Die Dokumentation bietet einen guten Einblick.
Die Exkursion wurde über das Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“ und durch eine Spende der FRoSTA AG, Lommatzsch finanziert.